Waldorfpädagogik

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Waldorfpädagogik2017-06-04T17:35:38+00:00

Waldorfpädagogik

Die Waldorfpädagogik ist eine durch Rudolf Steiner (1861–1925) begründete Pädagogik auf der Grundlage der ebenfalls von ihm entwickelten Menschenkunde Anthroposophie. Sie wird der Reformpädagogik zugerechnet.

Sie fand bei ihrer Entstehung zu Beginn des 20. Jahrhunderts zunächst Anwendung als Pädagogik der 1919 in Stuttgart eröffneten ersten Waldorfschule, die eine Betriebsschule für die Kinder der Arbeiter und Angestellten der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik war. Wenige Jahre später wurde bei der Entwicklung einer spezifischen Kindergartenpädagogik und Heilpädagogik auf sie nochmals zurückgegriffen.

(aus: Wikipedia)

http://waldorfschule-bs.de/schule/von-schuelern

Waldorf Pädagogik

Elemente der Waldorfpädagogik

Die Grundlage der Waldorfpädagogik ist die geisteswissenschaftliche Auffassung der Menschenkunde von Rudolf Steiner.

Die vier Wesensglieder des Menschen

Für Steiner gliedert sich der Mensch in einander verschiedene ‚Wesensglieder‘, die in verschiedenen Lebensabschnitten unterschiedlich zum Tragen kommen.[2]

Die Entwicklung des Menschen erfolge in Rhythmen von ca. sieben Jahren.[3]

In den ersten sieben Jahren entwickelt der Mensch seinen physischen Leib und die Sinne. Die inneren Organe werden ausgebildet. Das Kind nimmt in diesem Alter die Welt vor allem durch Nachahmung in sich auf. Dementsprechend ist die Kindergartenpädagogik stark rhythmisiert. Die Erzieherinnen beginnen regelmäßig immer mit gleichen Beschäftigungen (z.B. findet immer montags Aquarellmalen statt, dienstags wird Brot gebacken usw.) und Märchen werden so lange erzählt und vorgespielt, bis viele Kinder sie auswendig können. Das erste Jahrsiebt wird durch das Eintreten des Zahnwechsels abgeschlossen. Kinderkrankheiten sind notwendige Stationen auf diesem Weg des Kindes in seinen Körper und symbolisieren Fortschritte auf diesem Weg.

In den zweiten sieben Jahren entwickelt der Mensch den ‚ätherischen Leib‘. Die Kräfte der Organbildung sind abgeschlossen und nun frei für ‚seelische Denk-, Lern- und Gedächtnisaufgaben‘. Die Ausbildung des Ätherleibes unterstützt man durch Bilder, Beispiele und durch Lenken der Phantasie. Es ist die Zeit der Wertebildung des Menschen. Steiner nennt es ‚Nachfolge und Autorität‘ – allerdings einer vorbildhaften Autorität. Dieses Jahrsiebt wird durch den Eintritt in die Pubertät abgeschlossen.

Im dritten Jahrsiebt wird der ‚Astralleib‘ (emotionales Innenleben) entwickelt und damit die Fähigkeit, das eigene innere der Seele durch Introspektion bewusst und intensiv zu erleben. Die intellektuellen Kräfte bilden sich aus, es ist die Zeit der Entwicklung des eigenen Urteils. Es geht um Wahrheit und Wahrhaftigkeit. Das Erziehungsprinzip ist jetzt Sachlichkeit.

Erziehung nach dem 21. Lebensjahr ist vor allem Selbsterziehung. Das Ich ist entwickelt. Es hat in den vorangegangenen Abschnitten die Aufgabe, die ‚niederen Wesensglieder‘ zu durchdringen, sie umzuwandeln und ihre Entwicklung vorantreibend zu veredeln.

„Wie der physische Leib zerfällt, wenn ihn nicht der Ätherleib zusammenhält; wie der Ätherleib in die Bewußtlosigkeit versinkt, wenn ihn nicht der Astralleib durchleuchtet, so müßte der Astralleib das Vergangene immer wieder in die Vergessenheit sinken lassen, wenn dieses nicht vom ‚Ich‘ in die Gegenwart hinübergerettet würde. Was für den physischen Leib der Tod, ist für den Ätherleib der Schlaf, das ist für den Astralleib das Vergessen. Man kann auch sagen: Dem Ätherleib sei das Leben eigen, dem Astralleib das Bewußtsein und dem Ich die Erinnerung.“[4]

Die vier Temperamente und ihre Berücksichtigung in der Erziehung

Steiner unterscheidet das sanguinische, das melancholische, das phlegmatische und das cholerische Temperament. Diese vier Grundtypen seien seit alters her bekannt und sind ein wichtiger Aspekt für die Didaktik der Unterstufe (s. Seminarbesprechung für die Lehrer der ersten Waldorfschule).

Überwiegt ein Wesensglied, so bilden sich die verschiedenen Temperamente aus: Überwiegt der Körper (physischer Leib) so tendiert das Kind zum melancholischen Temperament. Ein starker Lebensleib (Ätherleib) ist in Relation zu einem phlegmatischen Temperament, ein starker Astralleib dem sanguinischen und ein starkes Ich dem cholerischen Temperament. Das jeweilige Temperament drückt sich auch in der Körperhaltung, der Physiognomie, im Gang, in der Gestalt, in Gesten, im Grad der Erregbarkeit und der Stärke aus.

Die Temperamente bilden polare Gegensätze:

(1) melancholisches T.: wenig Erregbarkeit, starke Intentionen

(3) sanguinisches T.: viel Erregbarkeit, weniger starke Intentionen.

und

(2) phlegmatisches T.: intentionale Stärke und Erregbarkeit am geringsten

(4) cholerisches T.: intentionale Stärke und Erregbarkeit am größten

Die polaren Gegensätze 1 und 3, 2 und 4 bleiben immer getrennt, dagegen verschwimmen sowohl 1 und 2 als auch 3 und 4 miteinander. Jeder Mensch besitzt eine einzigartige Mischung, die seine Individualität bedingt.[5]

Pädagogisch nutzt Steiner das und empfiehlt in den untersten Klassen z.B. gleiche Temperamente zusammenzusetzen, denn so schleifen sie sich ab, werden sich überdrüssig, werden ausgeglichener.

Die Temperamente spielen allerdings nur in den ersten drei Schuljahren eine Rolle, später sollten die Schüler sich so weit entwickelt haben, dass sie die Eigenarten ihres Temperamentes kontrollieren können und im Unterricht wird darauf keine Rücksicht mehr genommen.

Der Lehrplan von 1919

Der Lehrplan nimmt auf die von Altersstufe zu Altersstufe fortschreitende Entwicklung der Kinder und Jugendlichen Rücksicht aus Sicht der Theorien Rudolf Steiners. Es soll nicht nur reine Wissensvermittlung geschehen, sondern Erziehung vonstattengehen.[6]

Hauptunterricht wird in allen 12 Klassenstufen erteilt und umfasste (1919) alle wissenschaftlichen Fächer (Deutsch, Mathematik, Geschichte, Sachkunde, Pflanzen- und Tierkunde, Menschenkunde, Astronomie, Erdkunde, Geometrie, Physik, Chemie) und die Muttersprache.[7]

  • Englisch und Französisch (oder eine andere Fremdsprache) ab Klassenstufe 1–5 je ca. drei Stunden, ab Klasse 6 je 2–3 Stunden.
  • Eurythmie in allen Klassen
  • Turnen und Gymnastik bis zur Klasse 3 eine, später zwei Stunden
  • Religion in allen Klassen
  • Singen in allen Klassen
  • Instrumentalmusik: in allen Klassen, Flöte und Geige in den Klassen 1–4, ab Klasse 5 Orchester (oft alle Schüler einer Klasse)
  • Handarbeit
  • Kunst
  • Buchbinden
  • Handwerk und Gartenbau
  • Latein und Griechisch
  • Feldmessen
  • Spinnen
  • Technische Mechanik, Technologie
  • Erste Hilfe
  • Stenografie

Da es die Schule 1919 noch nicht als Oberstufe gab, folgten entsprechende Fächer erst einige Jahre später.

Der Lehrplan heute

Heute ist dieser Lehrplan von 1919 immer noch Orientierung, auch wenn sich durch die Autonomie der Schulen und die regional geltenden Prüfungsanforderungen Änderungen ergeben haben. So werden Latein und Griechisch, Spinnen, Erste Hilfe, Technische Mechanik/Technologie und Stenografie kaum noch unterrichtet, an die anderen Empfehlungen Rudolf Steiners wird sich aber nach wie vor gehalten.

In vielen Klassen werden auch epochenweise kleine Szenen oder Theaterstücke (meist 8. Klasse und 12. Klasse) einstudiert.

Jeder Lehrer verfügt in seinem Unterrichtsaufbau über viele Freiheiten, um auf die Entwicklung und Interessen der Kinder angemessen reagieren zu können. In der Oberstufe spielen die Vorgaben der Lehrpläne für Prüfungen in den Prüfungsfächern eine bedeutende Rolle.

In der Oberstufe gibt es des Weiteren Geographie, Physik, Chemie, Biologie, Kunstgeschichte, Architektur, Landwirtschafts-, Vermessungs- und Sozialpraktikum und eine Vielfalt von handwerklichen Möglichkeiten (z.B. Korbflechten, Weben, Buchbinden, Schreinern, Zeichnen- und Malen, Bildhauerei etc.)

Jedes Kind soll dadurch in seiner Entwicklung die Stufen der Menschwerdung noch einmal durchlaufen können.[8]

Waldorf-Netzwerk

wal2Die Waldorfschule war und ist Vorreiter

Gemeinsamer Unterricht für Jungen und Mädchen, zwei Fremdsprachen ab der ersten Klasse, Epochenunterricht (Blockunterricht), Gesamtschule von Klasse 1 bis 12, Verzicht auf Sitzen bleiben, künstlerische Gestaltung des Unterrichts, ausführliche Textzeugnisse, Verbindung von allgemeiner und beruflicher Bildung, Selbstverwaltung (Autonomie) der Schule – all das ist selbstverständlich seit Gründung der ersten Waldorfschule im Jahre 1919; erst sehr viel später wurde einiges davon auch in die Unterrichtspraxis der „Regelschule” aufgenommen.

Waldorfpädagogik will die kreativen Kräfte der Schüler von Grund auf entfalten. Anstatt mit vorwiegend vorgegebenen Formen zu arbeiten, die ggf. Lücken zum Ausfüllen bieten, ersetzen selbstgestaltete Epochenhefte weitgehend die Lehrbücher.

Soziale Kompetenzen entwickeln

Das Erüben sozialer Kompetenzen in einer möglichst stabilen Klassengemeinschaft von Schülern unterschiedlicher Begabung ist lebensnaher als ein notenorientiertes Lernen von Schülern derselben Begabungsbandbreite. Gymnasien berauben Real- und Hauptschulen ihrer Zugpferde. Das Herauslösen leistungsschwacher Schüler aus einer Klassengemeinschaft durch Sitzen bleiben setzt einen abstrakten Leistungsgedanken vor die soziale Tragfähigkeit einer Klassengemeinschaft. Waldorfschulen bauen dagegen auf das Lernen im gegenseitigen Miteinander. Denn schneller begreifende Schüler lernen am meisten, wenn sie Gelegenheit bekommen, langsamer begreifenden Schülern etwas zu erklären. Letztere lernen auch besser, wenn sie nicht ausschließlich auf die Erklärungen des Lehrers angewiesen sind. Das gemeinsame Lösen von Aufgaben in Gruppen mit unterschiedlichen Begabungen ist eine Herausforderung des Berufslebens, auf die Schule schon vorbereiten sollte.

21 Fragen die immer wieder von Interessierten gestellt werden!

Waldorfschulen stehen grundsätzlich allen Kindern offen – unabhängig von Religion, ethnischer Herkunft, Weltanschauung und Einkommen der Eltern. Nach ausführlichen Informationselternabenden findet für jedes Kind ein individuelles Aufnahmegespräch an der Schule statt. Auch in höhere Klassen können Schüler* als Quereinsteiger aufgenommen werden.

* Zur besseren Lesbarkeit verwenden wir in dieser Broschüre „Schüler“ bzw. „Lehrer“. Gemeint sind selbstverständlich immer beide Geschlechter.

Waldorfschulen wollen gleichermaßen intellektuelle, kreative, künstlerische, praktische und soziale Fähigkeiten bei den Kindern und Jugendlichen entwickeln. Vom ersten Schuljahr an lernen Waldorfschüler zwei Fremdsprachen. Jungen und Mädchen stricken, nähen und schneidern gemeinsam in der Handarbeit und sägen, hämmern und feilen zusammen im Werkunterricht. In jeder achten und zwölften Klasse studieren sie ein anspruchsvolles Theaterstück ein und setzen sich in einer großen Jahresarbeit mit einem Thema ihrer Wahl in Theorie und Praxis auseinander. Die Fächer Gartenbau und Eurythmie sind feste Bestandteile des Lehrplans.
Rudolf Steiner ist der Begründer der Waldorfpädagogik. Emil Molt, Besitzer der damaligen Waldorf Astoria Zigarettenfabrik, gründete mit ihm zusammen die erste Waldorfschule in Stuttgart. Inhalt und Methode der Waldorfpädagogik beruhen auf Rudolf Steiners Erkenntnissen über die Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Neben der Pädagogik fanden Rudolf Steiners geisteswissenschaftliche Forschungen auch Eingang in die biologischdynamische Landwirtschaft, die Anthroposophische Medizin und die Kunst.
Nein, die Waldorfschule ist eine Schule für alle Begabungsrichtungen. Die neuere Hirnforschung hat aber eindrucksvoll belegt, dass Kinder und Jugendliche durch künstlerisches Üben viele Kompetenzen erwerben, die weit über die unmittelbare Tätigkeit hinausreichen. Wenn Waldorfschüler malen, zeichnen, plastizieren oder musizieren, geht es daher vor allem um die Schulung differenzierter Wahrnehmungen und die Entfaltung ihres schöpferischen Potenzials; die Begabungen der einzelnen Schüler werden dabei natürlich berücksichtigt. Waldorflehrer sind bestrebt, den Verstand, die Kreativität und die eigenständige Persönlichkeit ihrer Schüler gleichgewichtig zu entwickeln.
Nein. Ausdrücklich nein. An Waldorfschulen lernen Kinder aller Begabungsrichtungen wie an den staatlichen Regelschulen auch, nur dass hier neben intellektuellen Fähigkeiten gleichgewichtig auch soziale und handwerklichkünstlerische Fähigkeiten gefordert und gefördert werden. Die individuelle Förderung von Kindern mit besonderem Assistenzbedarf ist eine wichtige Säule der Waldorfpädagogik, die entweder in Schulen mit einem inklusiven Konzept oder in heilpädagogischen Förderschulen umgesetzt wird.
Das ist von Schule zu Schule verschieden, aber es ist richtig, dass es manchmal große Klassen gibt. In vielen Fächern werden die Klassen dann allerdings in zwei oder drei Gruppen geteilt. Kinder, die sich in einem Fach leichter tun, helfen denen, die es schwerer haben. Schülern, die ganz besonders schnell auffassen, geben die Lehrer schwierigere Zusatzaufgaben. In einer großen Klasse entsteht durch die Vielzahl der unterschiedlichen Persönlichkeiten, Temperamente und Eigenschaften der Kinder über zwölf Schuljahre eine soziale Gemeinschaft, in der die jungen Heranwachsenden aneinander lernen.
Auch wenn Waldorfschulen in der Unter und Mittelstufe auf Noten verzichten, werden die Schülerarbeiten selbstverständlich gewürdigt. An Stelle der Noten stehen individuelle Beurteilungen, in denen die Lehrer gleichermaßen auf die Persönlichkeitsentwicklung und die Lernfortschritte ihrer Schüler eingehen. Es zählt also nicht allein der Wissensstand, sondern die Gesamtentwicklung in einem bestimmten Zeitraum. Waldorfschüler lernen von der ersten bis zur zwölften Klasse in einer stabilen Klassengemeinschaft, unabhängig vom angestrebten Schulabschluss: Niemand wird unterwegs sitzen gelassen.
Da der Waldorfunterricht sehr handlungsorientiert und auf die jeweilige Entwicklungsphase der Schüler abgestimmt ist, stellt sich dieses Problem nur selten. Eigeninitiative entwickeln die Kinder und Jugendlichen nicht aufgrund von äußerem Leistungsdruck, sondern aus lebendigem Interesse und persönlicher Begeisterung für die vielfältigen Unterrichtsinhalte. Diese gestaltet der Lehrer kreativ und lebensnah, so dass sie sich an der persönlichen Erfahrungswelt der Kinder orientieren und ihnen eigene Erlebnisse vermitteln. Waldorflehrer bereiten sich auf diese anspruchsvolle pädagogische Tätigkeit an eigenen Seminaren und Hochschulen vor.
Die Praxis zeigt, dass gerade Waldorfschüler von Ausbildern besonders geschätzt werden. In einer Schule, die nicht nur die intellektuellen Fähigkeiten anspricht, entwickeln sich Schlüsselqualifikationen wie Teamfähigkeit, Kreativität und die Fähigkeit, prozessual zu denken, vom ersten Schultag an. Umfangreiche Absolventenstudien zeigen, dass Waldorfschüler in allen Studien und Berufsfeldern sehr erfolgreich studieren und arbeiten.
Alle. Da die einzelnen Bundesländer jeweils eigene Schulgesetze haben, gibt es zwar Unterschiede, aber grundsätzlich gilt, dass an einer Waldorfschule die üblichen staatlichen Abschlüsse erworben werden können: Haupt und Realschulabschluss ebenso wie das Abitur und meistens auch die Fachhochschulreife. Am Ende des zwölften Schuljahres (an einigen Schulen am Ende der elften Klasse) bieten zahlreiche Waldorfschulen einen eigenen Waldorfschulabschluss an, der ihren Schülern Gelegenheit gibt, neben den Prüfungsfächern der staatlichen Abschlüsse ihre individuell erworbenen Kompetenzen zu präsentieren. Das dreizehnte Schuljahr dient in der Regel der gezielten Vorbereitung auf das Abitur.
Es ist ein Prinzip der Waldorfschule, kein Kind aus finanziellen Gründen abzulehnen. Da aber die Zuschüsse an freie Schulen in allen Bundesländern niedriger sind als jene, die staatliche Schulen erhalten, müssen Waldorfschulen Schulgelder von den Eltern verlangen –obwohl sie erwiesenermaßen besser wirtschaften als Schulen in öffentlicher Trägerschaft. Um dennoch allen Kindern den Schulbesuch zu ermöglichen, bilden die Lehrer und Eltern Solidargemeinschaften, die zwar an jeder Schule etwas anders ausgestaltet sind, sich aber immer darum bemühen, die unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten der Familien auszugleichen.
Der Begriff „freie Schulen“ bedeutet nicht, dass es keine Regeln gibt, sondern dass diese Schulen eine weitgehende pädagogische Autonomie haben. Waldorflehrerinnen und lehrer bauen in der Unterstufe ein von „liebevoller Autorität“ geprägtes Verhältnis zu ihren Schülern auf. Kinder suchen ihre Grenzen. Nur wenn sie Grenzen von den Erwachsenen erfahren, fühlen sie sich einerseits sicher und erleben sich andererseits als eigene Persönlichkeit. Im Laufe der Schulzeit wandelt sich das Lehrer Schüler Verhältnis immer mehr zu einer umfassenden Lernpartnerschaft.
In einer Gemeinschaft, die von Beständigkeit und Rhythmus geprägt ist, können Kinder sich gesund entfalten. Um ihnen darin eine verlässliche Stütze zu sein, begleitet ein Waldorf Klassenlehrer „seine“ Klasse nach Möglichkeit sechs bis acht Jahre lang und unterrichtet jeden Morgen mindestens die ersten beiden Stunden eines Schulvormittags. In wechselnden „Epochen“ bringt er den Schülern jeweils über mehrere Wochen den Stoff unterschiedlicher Themengebieten nahe. Dabei lernt er seine Schüler sehr gut kennen und kann individuell auf ihre Stärken und Schwächen eingehen.
Während der ersten beiden Stunden eines Schulvormittags arbeiten die Schüler über mehrere Wochen intensiv an jeweils einem Fachgebiet .So haben die Schüler zum Beispiel drei Wochen lang jeden Morgen zwei Stunden Mathematik, Geografie, Deutsch, Geschichte oder ein anderes Hauptfach. Nach einigen Wochen wechselt der Inhalt der Epoche zu einem anderen Thema, sodass die Schüler sich intensiv damit verbinden. Grundfertigkeiten wie Rechnen oder Schreiben festigen die Schüler über den Epochenunterricht hinaus in fortlaufenden Übstunden. Im Anschluss an den Epochenunterricht übernehmen Fachlehrer den Unterricht in Sport, Fremdsprachen, Eurythmie, Religion, Musik und in den handwerklichkünstlerischen Fächern.
Klassenlehrer decken an einer Waldorfschule tatsächlich ein großes Spektrum an Fächern ab. In besonderen Ausbildungswegen, die sie in einem Vollstudium oder postgraduiert im Anschluss an eine wissenschaftliche Ausbildung an einem der Seminare im Bund der Freien Waldorfschulen oder an einer Hochschule mit Waldorfqualifikation durchlaufen, werden sie gezielt darauf vorbereitet. Für Klassen, Fach und Oberstufenlehrer gilt gleichermaßen, dass ihre Ausbildung mindestens gleichwertig zur staatlichen Ausbildung sein muss. In der Unter und Mittelstufe liegt der Schwerpunkt allen Lernens nicht nur auf der Vermittlung reinen Fachwissens, sondern es geht auch darum, den Schülern eine lebendige, erfahrungsgesättigte Beziehung zu den Lerninhalten zu ermöglichen. So kann Lernen Freude machen – ein Leben lang.
In der Oberstufe unterrichten in allen Fächern akademisch beziehungsweise handwerklich ausgebildete Lehrer die Jugendlichen. Die praktischen Fähigkeiten, die die Schüler sich über die gesamte Schulzeit hinweg angeeignet haben, finden von der achten Klasse an Ergänzung durch diverse Praktika: In einem Landwirtschafts- und einem Forstpraktikum, einem Feldmess-, einem Betriebs- und einem Sozialpraktikum erhalten die Schüler eine ausgesprochen lebensnahe Ausbildungsgrundlage. Dabei liegt der eigentliche Sinn der Praktika nicht in der Berufsfindung, sondern vor allem im Erüben wichtiger sozialer Fähigkeiten.
Es ist richtig, dass diese Aktivitäten zusammen mit dem Lernpensum in manchen Schuljahren eine Doppelbelastung für die Schüler bedeuten. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die Prüfungsleistungen hierunter nicht leiden. Denn die durchschnittlichen Abschlussnoten der Waldorfschüler liegen im Durchschnitt mindestens auf dem gleichen Niveau wie bei Schülern von staatlichen Schulen.
Die von Rudolf Steiner entwickelte Anthroposophie ist eine Erkenntnishilfe für die Lehrer, zu keinem Zeitpunkt aber ist sie Gegenstand des Unterrichts. Da die Waldorfschule eine überkonfessionelle Schule ist, entscheiden zunächst die Eltern, welchen Religionsunterricht ihr Kind besuchen soll. Später entscheiden die Jugendlichen das dann selbst.
Eurythmie (wörtlich: guter, auch schöner Rhythmus) ist eine Bewegungskunst, die an Waldorfschulen in allen Klassen unterrichtet wird. Im Unterschied zu gymnastischen, pantomimischen oder tänzerischen Bewegungen, die völlig frei gestaltet werden können, gibt es in der Eurythmie für jeden Buchstaben und jeden Ton eine ganz bestimmte Gebärde – es handelt sich also um sichtbar gemachte Sprache und Musik. In der Lauteurythmie stellen die Schüler zum Beispiel dar, was in einem Gedicht an Lauten lebt, und in der Toneurythmie, was in den Tonintervallen einer musikalischen Komposition lebt.
An der Waldorfschule stehen die naturwissenschaftlichen Fächer gleichgewichtig neben allen anderen Unterrichtsfächern. Das Fach Informatik ist fester Bestandteil im Lehrplan der Waldorfschulen, wobei die Pädagogen Wert darauf legen, dass sich die Kinder, bevor sie die virtuelle Welt kennen lernen, mit der natürlichen Welt vertraut machen und ihre sozialen und schöpferischen Fähigkeiten entwickeln. In der Oberstufe ist der Umgang mit der Soft und Hardware für jeden Waldorfschüler eine Selbstverständlichkeit. Eine PISAStudie zu den Naturwissenschaften bescheinigte Waldorfschülern weit überdurchschnittliche naturwissenschaftliche Kompetenzen und führte dies unmittelbar auf die praktizierte Unterrichtsmethode zurück.
In Deutschland gibt es fast überall eine Waldorfschule in erreichbarer Nähe – aktuell (Dezember 2014) sind es 234, aber Neugründungen kommen in jedem Jahr dazu. Auf unserer Homepage finden Sie die Schulen in Ihrer Nähe. Jede Waldorfschule wird sich darum bemühen, Waldorfschüler nach einem Umzug aufzunehmen. Ein Wechsel von und zu staatlichen Regelschulen bedeutet zwar eine Umstellung, ist aber möglich und keine Seltenheit. Falls Sie ins Ausland ziehen wollen: Weltweit gibt es – mit deutlich steigender Tendenz – 1.028 Waldorfschulen (Stand: Dezember 2014). Damit sind die Waldorfschulen die größte überkonfessionelle und nichtstaatliche pädagogische Bewegung der Welt.

Zum Schluss…

In dieser Darstellung wurde versucht, die häufigsten Fragen zur Waldorfschule übersichtlich und in knapper Form zu beantworten. Natürlich können dabei nicht alle Themen erschöpfend behandelt werden.